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A potiori fit denominatio

A potiori fit denominatio heißt: Das Einzele wird nach der Mehrzahl benannt, nämlich wenn es sich unter einer Menge von Dingen befindet, zu welchen es eigentlich der Art nach nicht gehört. So sagt man: "Das ist eine Heerde Schaafe," wenn sich auch ein paar Ziegen darunter befinden sollten. Im gemeinen Leben geht das wohl an. Wenn aber von wissenschaftlicher Genauigkeit und insonderheit von philosophischer Präcision die Rede ist: so kann jener Grundsaß nicht gelten, weil er zu großen Irrthümern führen würde. So wenig Planeten sich auch unter den unzähligen Firsternen am Himmel befinden: so muß sie doch der Astronom von ihnen absondern und auch besonders benennen. Und wenn der Philosoph unter tausend Säßen eines philosophischen Lehrbuchs einen falschen findet: so kann er diesen nicht um jener 999 willen für wahr gelten lassen. Ebensowenig würde man sagen können, daß ein Mensch während seines Lebens lauter gute Handlungen vollzogen habe, wenn sich darunter einige fänden, die dem Sittengeseße widerstritten. Es gilt daher jener Grundsaß nur für das gemeine Leben, und auch hier nur in solchen Fällen, wo es eben nicht auf große Genauigkeit ankommt.


Allgemeines Handwörterbuch
der
philosophischen Wissenschaften,
nebst ihrer
Literatur und Geschichte.
Nach dem heutigen Standpuncte der Wissenschaft
bearbeitet und herausgegeben
von

D. Wilhelm Traugott Krug,
Professor der Philosophie an der Universität zu Leipzig und Ritter des K. S. Civil-Verdienstordens.
Zweite, verbesserte und vermehrte, Auflage.
Erster Band.
A bis E.
Leipzig:
F. A. Brockhaus.
1832.

Rutgers University Libraries
B43.K82 1970 v.1

Omnipædia Polyglotta
Francisco López Rodríguez
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